Holzminden (red). „Die Bahnhofstraße 31, das war für mich immer Krystyna Tessmann“, kann Corinna Schmidt, stellvertretende Leiterin der Kreisvolkshochschule Holzminden, nur feststellen. Schmidt wird sich zukünftig umstellen müssen, denn die langjährige Koordinatorin für Integration, Sprachkurse und Deutschunterricht an der Kreisvolkshochschule ist in ihren wohlverdienten Ruhestand gegangen. In einer kleinen Feierstunde würdigten Landrat Michael Schünemann, die zuständige Dezernentin Manuela Schäfer und Corinna Schmidt die „Seele“ des altehrwürdigen KVHS-Schulgebäudes in der Bahnhofstraße.

An die 100 Integrationskurse sind unter der Leitung von Krystyna Tessmann seit 2005 organisiert worden. Wie viele genau kann sie selbst gar nicht beantworten, denn neben den vom Bundesamt für Migration beauftragten gab es auch eine Reihe von Praktikums- und arbeitsplatzbegleitenden Kursen, die anderweitig finanziert wurden. Spätestens mit dem Einsetzen der Flüchtlingswelle 2015 jedoch hatte Tessmann mit der Beteiligung an Ausschreibungen, der Organisation von Kursen, der Dozent*innenakquise und den Prüfungen derart viel zu tun, dass sie oft nicht wusste, wo ihr der Kopf stand. Gemeistert hat sie diese Turbulenzen dennoch mit viel Energie, Überzeugungskraft und Durchsetzungsvermögen. „Ich bin ja eigentlich von meiner ursprünglichen Ausbildung her Lehrerin, aber in diesen anderthalb Jahrzehnten so vielen Menschen in der Kreisvolkshochschule erfolgreich eine Möglichkeit gegeben zu haben, sich in Deutschland in der Sprache und mit der Kultur zurechtzufinden, hat mir sehr viel Spaß gemacht“, sagt sie über ihre Arbeit und vergisst dabei nicht zu betonen, dass sie sich stets auf ein tolles Team habe verlassen können.

Was das Zurechtfinden in komplett neuer Umgebung bedeutet, weiß Krystyna Tessmann dabei selbst sehr genau. 1987 verschlug es sie der Liebe wegen nach Deutschland und in den Landkreis Holzminden. Während eines Urlaubs im Weserbergland lernte sie ihren späteren Mann Eckard kennen und zog seinetwegen nach Stadtoldendorf. Dabei hatte die gebürtige Breslauerin in ihrem Heimatland durchaus einiges zu verlieren. Als Grundschul- und Gymnasiallehrerin mit einem Magister in russischer Philologie galt die damals 32-Jährige als designierte neue Leiterin ihrer Schule.

Stattdessen wagte sie jedoch einen kompletten Neuanfang in Stadtoldendorf, lernte Deutsch am renommierten Göttinger Goetheinstitut und fand schließlich 1989 als Honorardozentin an der Kreisvolkshochschule eine neue Stelle. Eben noch hatte sie selbst deutsche Vokabeln und Grammatik gepaukt, jetzt brachte sie anderen die Sprache bei. Als die Welle der vornehmlich aus Russland kommenden Spätaussiedler abebbte, machte sie eine weitere Ausbildung zur Industriekauffrau. Der Kreisvolkshochschule blieb sie am Ende dennoch treu, nicht zuletzt wohl auch deswegen, weil sie zu den im Lauf der Zeit wechselnden Schulleitungen immer einen guten Draht hatte und ihre Arbeit von allen sehr geschätzt wurde.

So ganz kann Krystyna Tessmann auch nach ihrem Ruhestand nicht von der Kreisvolkshochschule lassen. Sie wird künftig wieder stärker als Sprachdozentin unterwegs sein. Und auch die Einarbeitung ihrer Nachfolgerin übernimmt sie noch für ein paar Monate. Langeweile wird sie mit dem daneben gewonnenen Freiraum auch nicht bekommen, dafür reist sie mit ihrem inzwischen auch pensionierten Mann zu gern oder genießt einfach einen Spaziergang durch das schöne Weserbergland. Und ins polnische Glubczyze, dem Partnerkreis des Landkreises Holzminden, wird sie ihr Weg außerdem immer wieder führen. „Ich habe als Übersetzerin auf den Reisen dorthin viele Freundschaften geschlossen“, sagt Tessmann, „die werde ich pflegen.“  

Foto: Landkreis Holzminden