Landkreis Holzminden (red). „Es ist eigentlich unfassbar, dass wir uns von vielleicht zehn Leuten treiben lassen“, stellte der Straßenmeister des Landkreises Holzminden, Jürgen Twele, während der vor ein paar Tagen stattgefundenen Sitzung des Kreisentwicklungsausschusses fest. Thema der Sitzung war die geplante vollständige Sperrung der Kreisstraße 71 durchs Hooptal. Wegen der bei feuchter Witterung die Straße in großer Zahl überquerenden, besonders geschützten Feuersalamander und anderer Amphibien diskutieren die Politiker*innen derzeit eine nächtliche Sperrung, langfristig sollen Fragen zur vollständigen Schließung der Straße geprüft werden. Fakt ist, dass die Straße für eine gute verkehrstechnische Anbindung nicht gebraucht wird und die aus Schutzgründen veranlassten Sperrungen immer wieder missachtet worden sind.

Die von Twele ins Spiel gebrachte, relativ niedrige Anzahl von Gesetzesübertretungen war keineswegs aus der Luft gegriffen. Insgesamt 47 Verstöße gegen das Nachtfahrverbot innerhalb von sechs Nächten hat die Straßenmeisterei Ende Oktober auf der K71 registriert. 28 in die eine Richtung, 19 in die andere. Pro Nacht sind das acht Missachtungen des Durchfahrtverbotes. Die aber hatte Folgen für die in dem Tal offenbar extrem stark vertretenen Amphibien. Denn Karl Müller aus Holzen, der sich ehrenamtlich nicht nur um die Sperrungen gekümmert, sondern dabei die Tiere auch noch akribisch gezählt hatte, kam auf insgesamt 900 Feuersalamander. 200 davon wurden von den nächtlichen Falschfahrer*innen getötet. Tier- und Artenschutz, so lässt sich vermuten, scheint für die Gesetzesübertreter*innen keine allzu große Rolle zu spielen.

Die Kreisstraße durchs Hooptal ist allerdings nicht die einzige, bei der  Straßensperrungen offenkundig nicht allzu ernst genommen wurden. Auf der K32, unterhalb der Heinsener Klippen konnte jüngst ein Straßenwärter beobachten, wie ein Verkehrsteilnehmer die Sperrvorrichtungen öffnete, durchfuhr und hinter sich in aller Ruhe wieder schloss. Ein Vorgehen, das wegen seiner Gewissenhaftigkeit zwar vermutlich als Ordnungswidrigkeit nur mit 40 Euro geahndet würde, andererseits aber angesichts des eigentlich nicht wieder aufzuholenden Zeitverlustes im Vergleich zur angegebenen Umleitung schon ein wenig befremdlich wirkt.

Hinzu kommt, dass die Sperrung keinem möglicherweise als nicht so wichtig erachteten Umweltschutzziel dient, sondern der eigenen Sicherheit. Die K32 ist derzeit gesperrt, weil die durch starke Trockenheit massenweise abgestorbenen Bäume oberhalb der Straße ohne besonderen Witterungseinfluss umzufallen oder zumindest teilweise abzubrechen und anschließend auf die Fahrbahn zu fallen drohen. Ein hohes Risiko, das selbst erfahrene Waldexperten momentan davon abhält, die nötigen Fällarbeiten durchzuführen.  

Dass selbst solche extremen Gefährdungslagen viele Verkehrsteilnehmer*innen nicht abschrecken, zeigt auch die Überwachungsmessung an der Kreisstraße 35 zwischen Dölme und Rühle. Auch dort hielt die wegen einer eingeschränkten Sicherheitslage verhängte zweiwöchige Sperrung etliche Autofahrer*innen nicht davon ab, sich Sonderrechte herauszunehmen. Die Strecke musste gesperrt werden, weil sich dort mehrere Kubikmeter Gestein oberhalb der Straße gelöst und teils tonnenschwere Felsbrocken den Sicherungsfangzaun durschlagen hatten. Wie in den anderen beiden Fällen sollten für eine solche Sperrung eigentlich nur Schilder nötig sein, die an der Durchfahrt hindern. „Die Absperrtafeln, die wir da noch zusätzlich aufstellen, dienen nur der Verdeutlichung“, hält Jürgen Twele fest. Doch offenbar ist das immer noch nicht deutlich genug. Knapp 140 Mal, das ergab die einwöchige Verkehrsmessung, scherte das Durchfahrverbot einige Verkehrsteilnehmer*innen nicht. Nicht selten blieben hier die schweren Bakensperren gleich geöffnet stehen, ein Straftatbestand, der nach Paragraph 315 des Strafgesetzbuches einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr darstellt und mit empfindlichen Geldstrafen bzw. sogar einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden kann.

Leichtsinn, Missachtung und Ignoranz von Regeln sind in ihren Konsequenzen meist schwer messbar. Im Fall der Hooptalstraße jedoch ist hier ein erster finanzieller Rahmen gesteckt. Falls der Kreistag dem Beratungsergebnis des Kreisentwicklungs- und des Umwelt-Ausschusses folgt, werden die Steuerzahler für die dortigen Übertretungen geschätzte 30.000 Euro aufbringen müssen. Soviel etwa kostet der Einbau von zwei Schranken mit einer zeitgeschalteten Schließung.   

Foto: Landkreis Holzmiden