Niedersachsen (red). In Niedersachsen ist ein neugefasster Erlass zur Beruflichen Orientierung (BO) an den allgemein bildenden Schulen der Sekundarbereiche I und II in Kraft getreten. Damit sollen Schülerinnen und Schüler in Zukunft noch besser auf ihren Lebensweg nach der Schule vorbereitet werden, und zwar an allen weiterführenden Schulformen der allgemein bildenden Schulen, wie Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne betont. „Das Ziel ist, allen jungen Menschen einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. Deshalb stärken wir mit dem vorliegenden Erlass ausdrücklich auch die Berufliche Orientierung an den Schulformen Gesamtschule und Gymnasium", erklärt Kultusminister Grant Hendrik Tonne. Und weiter: „Wir wollen den jungen Menschen unnötige Frustrationserlebnisse durch Ausbildungs- oder Studienabbrüche ersparen. Schule kann einen großen Beitrag dazu leisten, dass Schülerinnen und Schüler einen Beruf finden, der ihren Interessen, Potenzialen und Fähigkeiten entspricht, und der auf lange Sicht Freude bereitet. Es ist zudem im Interesse von Betrieben und Wirtschaft, wenn fundierte Berufswahlentscheidungen gefällt werden", so der Minister. Berufliche Ausbildung und Studium seien dabei gleichwertig, betonte Tonne in diesem Zusammenhang. 

Der neue Erlass sieht unter anderem mindestens 25 „Praxistage" an Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen vor. Bisher gab es für die Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen verpflichtend lediglich das Schülerbetriebspraktikum als Blockpraktikum mit mindestens 10 Schultagen. In der gymnasialen Oberstufe findet das Schülerbetriebspraktikum zukünftig an Gymnasien bzw. an Gesamtschulen verpflichtend im 11. Schuljahrgang statt. An Kooperativen Gesamtschulen richtet sich das Schülerbetriebspraktikum nach der jeweiligen Schulform.

An IGS finden Schülerbetriebspraktika im Sekundarbereich I vorrangig im Schuljahrgang 9 statt. Es besteht auch die Möglichkeit, ein weiteres Betriebspraktikum bereits in Schuljahrgang 8 durchzuführen. Die inhaltlichen Schwerpunkte dieser Praktika sind voneinander zu unterscheiden und bauen aufeinander auf.

An Gymnasien kann die Schule im 9. oder 10. Schuljahrgang ein weiteres Praktikum einführen, soweit die regionalen Gegebenheiten es zulassen. Dieses kann sich auf die Schülerinnen und Schüler beschränken, die beabsichtigen, das Gymnasium nach dem Schuljahrgang 10 zu verlassen. Im Sekundarbereich II kann ein zusätzliches Praktikum auch als Hochschulpraktikum bzw. im Hinblick auf die Perspektive eines dualen Studiums stattfinden.

Neben Schülerbetriebspraktika können Praxistage für vielfältige berufsorientierende Maßnahmen genutzt werden: z. B. für Kompetenzfeststellungsverfahren, in denen sich die Schülerinnen und Schüler über ihre Fähigkeiten und Interessen klar werden ebenso, wie für die Teilnahme am Zukunftstag, für berufspraktische Projekte, die Arbeit in Schülerfirmen, die Besuche von berufsbildenden Schulen oder Hochschulinformationstage und für die Bewerbungstrainings. 

Um die Aufgaben in der Beruflichen Orientierung auf möglichst viele Schultern zu verteilen, sollen künftig alle Schulen in Anlehnung an das bereits im Herbst 2017 veröffentlichte Musterkonzept ein fächerübergreifendes Konzept zur Umsetzung der Beruflichen Orientierung an der Schule unter Einbeziehung außerschulischer Partner erarbeiten. 1.000 Anrechnungsstunden stellt das Land den Schulen für die Organisation der Zusammenarbeit mit den außerschulischen Partnern in der Schule zur Verfügung. Zusätzliche Unterstützung können sich die Schulen bei der Entwicklung der Beruflichen Orientierung auch bei den Beraterinnen und Beratern zur Beruflichen Orientierung der Niedersächsischen Landesschulbehörde abrufen. Für diese Beratungstätigkeit stellt das Niedersächsische Kultusministerium weitere 435 Anrechnungsstunden bereit. 

Eine weitere zentrale Neuerung ist die flächendeckende Einführung eines Kompetenzfeststellungsverfahrens für alle Schülerinnen und Schüler. Im Rahmen eines Kompetenzfeststellungsverfahrens erhalten die Schülerinnen und Schüler Hinweise auf ihre besonderen Stärken und Interessen, aber auch auf ihre Entwicklungspotenziale. Frühestens ab dem 2. Schulhalbjahr des 7. Schuljahrgangs wird den Schülerinnen und Schülern ein Kompetenzfeststellungsverfahren angeboten. Um den Lehrkräften in diesem Zusammenhang Unterstützung an die Hand zu geben und um die Potenzialanalyse besser in den Unterricht integrieren zu können, ist das sehr kompakte und bisher überwiegend an den Haupt- und Realschulen eingesetzte Kompetenzfeststellungsverfahren „Profil AC Niedersachsen" weiterentwickelt und modularisiert worden. Derzeit werden hierfür Lehrkräfte aller Schulformen geschult. Dabei geht es nicht darum, eine berufliche Richtung festzulegen. Vielmehr sollen die Jugendlichen ihre gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um ihre Fähigkeiten und Neigungen besser einschätzen und ausbauen zu können. 

„Ein fortschreitender Entwicklungsprozess wie die Berufliche Orientierung kann nur zu einem Erfolg werden, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Dass dies gelingen wird, davon bin ich überzeugt. Bereits jetzt engagieren sich die niedersächsischen Lehrkräfte in hohem Maße dafür, dass die Schülerinnen und Schüler einen guten Weg ins Berufsleben finden. Hierfür bedanke ich mich sehr. Ich hoffe, dass der neue BO-Erlass eine gute Weiterentwicklung ist, um dieses Engagement zu unterstützen. Wir werden den Erlass und die Umsetzung eng begleiten und genau hinschauen, ob die gewünschten Erfolge nach und nach einsetzen", so Kultusminister Tonne.