Holzminden (r). Wenn blaue Tonnen die Straßen im Landkreis Holzminden säumen, ist Zeit für die Altpapiersammlung. Früh am Morgen rücken die Müllwerker der AWH aus, um abzuholen, was wir wochenlang gesammelt haben: Kartons, Pappe, alte Zeitungen und vor allem Unmengen an Papier. Dieser wichtige Wertstoff durchläuft einen beachtlichen Weg, bevor er wieder den Weg zu uns findet. Die AWH zeigt einen kleinen Einblick in den Recycling-Kreislauf und warum die Altpapiersammlung so wichtig für unsere Umwelt ist.

Täglich leeren die Müllwerker der AWH 300 - 500 Altpapiertonnen und rund 50 Container aus. So kommen im Monat mehr als 300 Tonnen Altpapier zusammen. Idealerweise befindet sich in den Behältern nur der reine Wertstoff ohne Fremdstoffe wie Schnüre, Büroklammern oder Plastikreste. Auch Fotopapier, Tapeten oder benutzte Taschentücher gehören nicht hierher. „Sortenrein“ nennt das die AWH, denn Fremdstoffe würden die späteren Verarbeitungsprozesse nur stören und müssen aussortiert werden. Dann beginnt der Weg des Altpapiers: Zuerst wird es ins Entsorgungszentrum Holzminden im Gewerbegebiet Rehwiese gebracht und dort gesammelt. Fast täglich holt das beauftragte Unternehmen die Altpapierberge ab und bringt sie – je nach Bedarf – in eine ihrer Papierfabriken. Die nächste liegt zum Beispiel in Herzberg am Harz.

Hier werden zuerst Fremdstoffe aussortiert, zum Beispiel Klebstoffe oder Metallreste, damit sie später keine Schäden an den Maschinen hinterlassen. Dann wird das Altpapier in verschiedenen Schritten zerkleinert und gesiebt. Soll der Rohstoff in neuem Papier Verwendung finden, wird ein spezielles Verfahren angewendet. Der wichtigste Teil der Aufarbeitung heißt „De-Inking“ und mit dessen Hilfe werden Druckfarben aus dem Papier entfernt. Dafür werden die Papierfasern in großen Kesseln mit bestimmten Tensiden vermengt und währenddessen Luft zugeführt. So lösen sich die Druckfarben und werden von den Luftbläschen an die Oberfläche getrieben, wo sie abgeschöpft werden können. Dieses spezielle Verfahren hat seinen Ursprung übrigens in Niedersachsen: Der Göttinger Jurist Justus Claproth experimentierte in einer Papiermühle in Klein Lengden bei Göttingen so lange herum, bis er seinen Gedanken perfektioniert hatte. 1774 veröffentlichte er dann eine Schrift mit dem Titel „Eine Erfindung, aus gedrucktem Papier wiederum neues Papier zu machen“ und gilt als der Vater des Recycling-Papiers.

An dem Grundprinzip des „De-Inkings“ nach Claproth hat sich bis heute wenig geändert. Mit diesem Verfahren wird vor allem neues, helles Druck- und Schreibpapier hergestellt. Allerdings müssen in den Aufbereitungsverfahren auch immer wieder Frischfasern hinzugefügt werden, da der Rohstoff durch die chemischen Prozesse einen Teil seiner Qualität verliert. Insgesamt gibt es rund 3.000 verschiedene Papier-, Karton- und Pappsorten und sie finden unterschiedlich Einsatz: als Zeitschriften, Hygienepapier oder Verpackungen. Aufgrund dieser Fülle an Möglichkeiten haben sich die Akteure in der Altpapierindustrie auf weniger geeinigt, dort wird mit 95 verschiedenen Sorten gehandelt. Festgehalten sind sie in der europäischen Norm EN 643, diese definiert die genauen Bestandteile und Qualitäten. Altpapier aus Wellpappe hat zum Beispiel eine andere Zusammensetzung als Altpapier aus Zeitungen und kann auch anders wiederverwertet werden.

Wir Deutschen sind übrigens Spitzenreiter im Recycling von Altpapier. Pro Jahr verbrauchen wir rund 23 Millionen Tonnen Papier, Karton oder Pappe, dem gegenüber stehen um die 15 Millionen Tonnen Altpapier, das von Entsorgungsunternehmen wie der AWH im Landkreis Holzminden gesammelt wird. Daraus ergibt sich eine Rücklaufquote von 74 Prozent – die uns zur weltweiten Nummer 1 macht. Dicht hinter uns liegen China mit 71 Prozent und Frankreich mit 64 Prozent. Der wichtige Rohstoff Altpapier wird am häufigsten in Verpackungen eingesetzt, wie etwa Wellpappen und Faltschachteln. Aber auch alle in Deutschland hergestellten Zeitungspapiere bestehen zu 100 Prozent aus Altpapier.

Wer Wert auf besonders umweltfreundliche Produkte legt, sollte auf den „Blauen Engel“ achten. Das Gütesiegel gibt es bereits seit 40 Jahren und es wurde unter anderem vom Bundesumweltministerium ins Leben gerufen. Daran erkennen wir Recyclingprodukte, die besonders umwelt- und ressourcenschonend hergestellt wurden. Einfach gesagt gilt: Je höher der Anteil an recyceltem Papier ist, desto weniger Holz musste in die Produktion von neuem Papier fließen.

Foto: Landkreis Holzminden